Darf man um Tiere trauern?

Miro und Noemi

Diese Frage ist mir durch den Kopf gegangen, als wir unseren geliebten Kater «Miro» einschläfern lassen mussten. Weshalb wir nicht nur um Tiere trauern dürfen, sondern trauern sollten, ja müssen.

Letzten Freitag mussten wir Miro einschläfern. Unseren 12-jährigen Kater, gross, dick, verschmust, verfressen (am Schluss nicht mehr), mit einer Vorliebe für Papiere. Kaum hatten wir einen Brief, Unterlagen oder Hausaufgaben auf dem Bett oder Sofa ausgebreitet, lag auch schon Miro drauf. Miro, der sich an einen rangeschmissen hat und gestreichelt werden wollte, wenn wir auf dem Sofa sassen. Miro, den wir vergeblich versuchten, vom Tisch fernzuhalten (obwohl, er hat nie etwas von einem Teller stibizt).

Wir waren traurig und begleiteten Miro, als der Tierarzt ihn mit einer Spritze erlöste. Hirntumor, Metastasen. Und ich überlege mir, ob es richtig ist, so um ein Tier zu trauern. Es ist ja «nur» ein Tier. Wie viele Menschen sind wohl in diesen langen Minuten gestorben? Gesund, zur falschen Zeit am falschen Ort. Müssten wir nicht stattdessen um die Menschen trauern, die auf der Flucht in den Fluten des Mittelmeers ertrinken, in der Hölle von Aleppo sterben, bei einem feigen Attentat in Kabul oder sonstwo unschuldig zu Opfern werden (wenn ihr es deftig mögt, sprachlich wie inhaltlich, lest «September. Fata Morgana» von Thomas Lehr)?

Trauert!

Natürlich, wir dürfen um Tiere trauern. Das habt ihr mir auch auf Facebook bestätigt. Ich habe mir lange überlegt, weshalb. Denn mein Bauchgefühl hat mir das auch gesagt. Irgendwann ist mir die Antwort in den Kopf gestiegen (bildlich gesprochen, nicht überheblich). Trauer ist kein Gut, das weniger wird, wenn wir es für Tiere einsetzen. Im Gegenteil. Trauern ist wichtig. Raus damit! Wir sollten mehr trauern.

Natürlich ist es besser, wenn wir nicht trauern müssen. Aber wenn die Trauer da ist, sollen wir sie zulassen. Sonst zerfrisst sie uns. Ich kenne das. Und habe mich entschieden, Trauer zuzulassen, wann immer sie da ist. Bin einig mit «The Cure», die das in «Boys don’t cry» thematisiert haben. Es war ein langer Weg. Dieser Beitrag ist ein Teil meiner Trauerarbeit.

In den letzten Stunden von Miro haben die Kirchenglocken der nahen Kirche Wiesendangen geläutet. Spontan ist mir dabei dieses Gedicht in den Sinn gekommen.

Die nahen Kirchenglocken verstummen
Der Regen wird leise
Und Miro träumt seinen letzten Traum.

Foto: Noemi mit Miro an seinem Lieblingsplatz auf dem Kachelofen. Danke Boris Baldinger für das schöne Bild!


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Kommentare

2 Antworten zu „Darf man um Tiere trauern?“

  1. Avatar von Cecilia
    Cecilia

    „Jede Träne ist eine Liebeserklärung“. Ein Spruch, der mich markiert hat, als wir die kleine Urne unseres geliebten Hunds Dédé im letzten September abgeholt haben. Darum lasse ich Trauer zu. Sie haben sie verdient, unsere geliebten Vierbeiner.
    Danke für den schönen Beitrag, lieber Andreas. Euch allen viel Kraft.

  2. Avatar von Thomas

    Unser Hund war eine Wasserratte. Sie ist immer kopfüber ins Wasser gesprungen und war nicht mehr zu halten, wenn sie Wasser sah. Eines Tages fiepte sie leicht beim Reinspringen. Wir dachten, dass Sie sich ein Splitter eingezogen hat, aber es wurde nicht besser … eher viel schlimmer. Also sind wir zum Tierarzt gegangen. Der Tierarzt schaute sich die Pfote an und sagte, dass es nichts wäre und schickte uns weg. Die Tage vergingen und (Jule, so hieß sie) jaulte bei jeder Bewegung und lag nur noch unter dem Tisch. Also sind wir nochmal zum gleichen Tierarzt gegangen. Der röntgte ihre Pfote, nahm Blut ab und sagte, dass sie wahrscheinlich simuliert, aber schickte uns zum anderen Tierarzt. Am nächsten Tag gingen wir dann zu diesem Tierarzt … er schaute sich Jule an und röntge ihre Schulter. Er zeigte uns das Röntgenbild … man sah keine richtige Schulter mehr. Der Knochenkrebs hat ihre ganzen Knochen zerfressen und sie lebte nur noch für uns. Es war so schlimm, dass sie Morphium für ihren letzten Tag bekam. Sie durfte an dem Tag alles essen, was Sie wollte, denn am nächsten Tag, erlösten wir sie.

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