Heute früh bin ich mit einem Einheimischen – übrigens dem gleichen Opa, der dem Kleinkind Lieder vorsingt – in einer kleiner Nussschale zum Schnorcheln aufgebrochen. Der Mann, bestimmt über siebzig, ruderte mit erstaunlicher Kraft unser kleines Boot zum Korallenriff hinaus. Ich sass auf einem Stück Styropor in der Schale, damit das Gleichgewicht gewahrt bleibt.
In einer kleinen Bucht angekommen, waren bereits einige Touristen im Wasser. Man reichte mir eine Taucherbrille samt Schnorchel – und dann war ich auf mich allein gestellt. Leider passte meine Brille nicht unter die Taucherbrille, also hiess es: schnorcheln ohne Korrektur. Schlecht sehen macht mich leicht nervös – ich sehe gern klar. Aber gut, los ging’s.

Das Riff lag sehr nah unter der Wasseroberfläche, was mir zunächst etwas Angst einjagte. Ich befürchtete, mich an den Korallen zu verletzen – und tatsächlich: eine kurze Berührung zeigte mir, dass man sich daran leicht schneiden könnte. Also Vorsicht.
Auffällig war, dass alle einheimischen Bootsmänner im Schatten sassen, während die Touristen in der prallen Sonne verweilten. Auch ich hätte mich gerne in den Schatten aufgehalten, doch dafür hätte ich über Felsen klettern müssen – das traute ich mir nicht zu. Also blieb ich, wenn ich nicht gerade im Wasser war, ebenfalls in der Sonne. Allerdings bedeckt: ein Tuch über den Schultern, mein T-Shirt über den Beinen. Auf gebräunte Haut gebe ich nichts – ein wenig Farbe holt man sich ohnehin. Ich bin zu alt für solche Eitelkeiten, und gesund ist es auch nicht.
Unter Wasser sah ich das Riff und ein paar Fische – bunte, durchsichtige, solche, die sich kaum vom Sand unterschieden. Die Natur ist faszinierend.

Später, zurück am Ufer, begegnete ich einem jungen Mann – wohl der Sohn der Homestay-Besitzer. Er hörte deutschsprachige Videos und schrieb Wörter in ein Notizbuch. Ich fragte ihn, was er da mache. Er lerne Deutsch, antwortete er. Warum gerade Deutsch? Weil er nach seinem Studium nach Deutschland ziehen wolle. Ich schlug die Schweiz vor – und er fragte gleich zurück, ob ich von dort sei. Dann begann er, mit mir auf Deutsch zu sprechen. Ich war fasziniert – sein Akzent war nahezu perfekt, fast wie bei einem Muttersprachler.
Ich lobte ihn: „I am fascinated, your accent is like a real German.“ Er strahlte, seine Mutter ebenso. Auf meine Frage, wie er das geschafft habe, antwortete er, dass er drei Monate lang ausschließlich an Tonalität und Sprachmelodie gearbeitet habe. Wow. In Vietnam ist Sprachmelodie besonders wichtig – viele Wörter werden praktisch gleich geschrieben, unterscheiden sich aber durch den Ton, also durch die „Dächer“ über den Buchstaben und dem Kontext.
Er fand übrigens, Deutsch sei leicht zu lernen. Er zeigte mir sein selbst gebasteltes Notizbuch – aus Karton, Papier und Kabelbindern gefertigt. Beeindruckend.
Seine Methode unterscheidet sich im Grunde gar nicht so sehr von meiner eigenen, mit der ich versuche, mein Französisch nicht zu verlieren. Ich zeigte ihm auch mein Notizbuch – leider ein gekauftes und kein so schön selbstgemachtes.
Wir unterhielten uns auf Deutsch, und er fragte, ob ich am nächsten Tag mit ihm ein Video aufnehmen würde – für seinen Tik-Tok-Kanal, in dem er seinen Wortschatz übt. Natürlich sagte ich zu.
Ich bin nicht nur von seinem Akzent beeindruckt, sondern auch von seiner Zielstrebigkeit, seinem autodidaktischen Lernen und dieser Leidenschaft, mit der er seine Träume verfolgt. Es ist genau diese Faszination, diese Freude und solche straken Emotionen die mich aus meinen eigenen Grübelgedanken herausholen.

Danke, Cham Island. Ich habe hier ein Stück ursprüngliches Vietnam wiedergefunden – und ganz ehrlich: Ich bin mir plötzlich gar nicht mehr so sicher, ob dies wirklich meine letzte Reise war.
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